„Ich habe den Roman LA TREGUA (dt.: Die Atempause) geliebt. Neben dem ganzen Schmerz ist es auch die Geschichte von der Freude der Rückkehr ins Leben. Bei SE QUESTO È UN UOMO (dt.: Ist das ein Mensch?), ein völlig vom Schmerz vereinnahmter Text, dachte ich nie an einen Film. Ich hätte mich nicht in der Lage gefühlt, die Schrecken des Holocausts zu erzählen – ohnedies haben dies andere Regisseure bereits exzellent gemacht. LA TREGUA hingegen verströmt den Willen und die Lust, jeden Augenblick zu leben, jedes Fragment der täglichen Existenz zu genießen. Im Jahr 1987 habe ich beschlossen, den Film zu drehen und Primo Levi anzurufen. In einem langen Gespräch habe ich versucht, die mich antrieb, zu erklären und habe ihn gebeten, mir sein Buch zur Verfilmung anzuvertrauen. Er war sehr glücklich. ‚Ihre Anfrage‘, so sagte er mir, ‚ist wie ein kleines Licht in einem dunklen Moment‘. Ich konnte ihn nicht recht verstehen. Eine Woche später habe ich dann verstanden, am 11. April 1987: Primo Levi hatte sich das Leben genommen.
Francesco Rosi, in: in: La Repubblica, 09. 02. 1996
DIE ATEMPAUSE, erschienen 1963 bei Einaudi, ist der zweite Roman von Primo Levi. Am Schluss des Buches, das sechzehn Jahre nach IST DAS EIN MENSCH? herauskommt, ist eine Karte abgedruckt. Eingezeichnet ist ein verschlungener Weg, der in Auschwitz startet und nach der Durchquerung von sage und schreibe sieben Ländern (Polen, Sowjetunion (Weißrussland, Ukraine), Rumänien, Ungarn, Tschechoslowakei, zwei Mal Österreich, Deutschland) in Turin endet. Diesen Weg zu nehmen war Levi nach der Befreiung von Auschwitz gezwungen. Nach der Todes-Ilias des Lagers beschreibt dieses Buch die Odyssee der Rückkehr: Es handelt sich um eine gedrängte volle Geschichte, lärmend von Personen und Stimmen, die sich in allen Sprachen überschlagen. DIE ATEMPAUSE ist die Erzählung einer irrationalen Irrfahrt, aber voller Energie, die das wiederbeginnende Leben durchströmt: eine körperreiche Erzählung, in der sowohl Angst als auch Freude herrschen. Bevor Levi sich vom Lager entfernt, kerbt Levi das quälendste Emblem des Schmerzes auf die Seiten: Hurbinek, ein dreijähriges, in Auschwitz geborenes Kind, das noch nie einen Baum gesehen hat und das ein einziges unverständliches Wort wiederholt. Es ist das unschuldige Opfer und der absolute Zeuge, dessen Sprache nie jemand verstehen wird. Hier beginnt die Reise, der endlose Weg durch ein vom Krieg verwüstetes Europa. (Text: Centro Internazionale di Studi Primo Levi)
#PrimoLevi
La Tregua – Die Atempause, Film von Francesco Rosi nach dem gleichnamigen Roman von Primo Levi
I/F/D/Ch 1997
Mit John Torturro
125 min.
Film in italienischer Sprache
Einführung in deutscher Sprache: Silvia Cresti
DO 21. FEB 2019
19 Uhr
Istituto Italiano di Cultura Berlino